Leseproben


Freundin

 

 
Tröste mich

 

Wenn ich wieder

 

In die Dunkelheit sinke

 

Mein Schmerz zu groß wird

 

Ich meine Arme suchend

 

Nach dir ausstrecke

 

Tröste mich

 

Freundin

 


Feierabend

 

Ich bin auf dem Heimweg.

Ich gehe schnell.

Ich greife schon nach meinem Schlüssel.

Ich bin gleich zu Hause.

Da sehe ich ihn.

 

Er ist groß und breit.

Er trägt sein Hemd oben offen.

Er hat warme Augen.

Er steht am Kino.

Ungezwungen beobachtet er mich.

 

Ich werde oft von Männern beobachtet.

Ich kenne das.

Ich finde es trotzdem lästig.

Ich sehe sonst immer weg.

Heute zögere ich.

 

Er trägt Glatze und er ist unrasiert.

Er lächelt und stürmt mein Herz.

Er lehnt an der Wand.

Er raucht.

Und er hat das Down Syndrom.

 

Ich habe sonst ein ruhiges Herz.

Ich bin verwirrt, denn ich fühle wie es rast.

Ich will wissen was los ist.

Ich will wissen, was mit mir los ist.

Ich gehe zu ihm.

 

Er bietet mir eine Zigarette an.

Er kommt einen Schritt näher.

Er reicht mir die Schachtel.

Er gibt mir Feuer.

Er hat blaue Augen.

 

Ich bin verheiratet.

Ich sollte nach Hause gehen.

Doch ich rauche mit einem fremden Mann.

Ich huste sofort.

Ich huste, bis mir die Tränen kommen.

 

Er klopft auf meinen Rücken.

Er wartet ob es besser wird.

Er streicht mir Haare aus der Stirn.

Er verabschiedet sich.

Er geht ins Kino.

 

Ich muss nach Hause.

Ich gehe los mit weichen Knien.

Ich gehe ihm nach.

Ich gehe zur Kino-Kasse.

Ich kaufe eine Karte.

 

Er soll mich küssen.

Er soll mich berühren.

Er soll mich ausfüllen.

Er soll wild und zärtlich sein.

Nur ein einziges Mal. Bitte.

 

Ich gehe hinter ihm in den Kino-Saal. 

Ich sehe seinen Nacken.

Ich sehe seine breiten Schultern.

Ich rieche sein Rasier-Wasser.

Mein Herz klopft bis zum Hals.

 

Er nimmt einen Platz in der letzten Reihe.

Er wartet bis ich sitze.

Er bietet mir Popcorn an.

Er redet wenig.

Seine Stimme ist weich.

 

Ich sehe ihn an.

Ich esse Popcorn.

Ich genieße jede Sekunde.

Was mache ich hier nur?

 

Er gefällt mir immer besser.

Er ist mir vertraut.

Er bringt mich zum Lachen.

Er legt seinen Arm um mich.

Meine Haut brennt.

 

Ich schließe meine Augen.

Ich möchte immer hier sitzen.

Hier in seinem Arm.
Auf seine Küsse wartend.

 

Doch dann geht die Tür auf.

Licht fällt ins Dunkle vom Kinosaal.

Eine Frau kommt herein.

 

Er lächelt über das ganze Gesicht.

Er nimmt seinen Arm von meiner Schulter.

Er steht auf.

Er geht zu der Frau.

Er stellt uns einander vor.

 

Sie hat Augen nur für ihn.

Sie ist die Liebe seines Lebens.

Sie weiß es.

Er weiß es.

Und ich weiß es jetzt auch.

 

Ich werde rot.

Ich entschuldige mich.

Ich nehme meine Sachen.

Ich versuche ein Lächeln.

Ich gehe zum Ausgang.

 

Mein beschämtes Herz nehme ich mit.


 

 

Haut

 

an Haut

 

das Schicksal treffen,

 

angst - umschlungen tanzen wir

 

lachen, weinen, lieben, fluchen, hoffen

 

dass sie uns in

 

Ruhe und Frieden

 

zusammen sein

 

lassen

 


Meine Liebste

 

Dies ist ein Brief an Dich.

Mein Brief an Dich.

Dies ist ein Liebesbrief.

Ein Brief, den man nur schreiben kann,

wenn einen die Liebe ausfüllt.

 

Und weißt Du was?

Mich füllt die Liebe aus.

Jeden Tag. Jeden Augenblick.

Sie pumpt das Glück tief in mich.

Sie pumpt es überall hin.

 

Jede Zelle ist voll Glück.

Aber die Liebe macht und macht weiter.

Sie pumpt Glück und Glück in mich.

So lange bis es weh tut.

Da liegst Du nun endlich vor mir.

Hast Dich getraut, mich zu lieben.

Mich auch körperlich zu lieben.

Dich mir hinzugeben.

Freigestrampelt hast Du Dich.

Du lächelst im Schlaf.

 

Nackt liegst Du und ich betrachte Dich.

Ich sehe hin und meine Haut erinnert sich an Deine.

Ich sehe hin und ich will Dich und Dich und Dich.

Die Liebe pumpt und pumpt Glück in mich.

 

Und ich muss weinen.

Dies war meine letzte Nacht mit Dir.

Meine erste und meine letzte Liebesnacht mit Dir.

Denn andere entscheiden über mein Leben.

Sie wollen, dass ich weggehe von Dir.

Sie gönnen mir nur das Glück,

dass sie für mich vorgesehen haben.

 

Ich weine.

Du schläfst.

Und ich sehe Dich an.

Obwohl es richtig wäre, wegzusehen.

Denn nichts ist so persönlich wie schlafen.

 

Ich sehe Dich an.

Ich pumpe Bilder von Dir in meinen Körper.

Rein in den Schmerz der Liebe.

Rein in das Glück der Liebe.

Rein in die Angst zu vergessen, wie Du aussiehst.

 

Nur einmal noch neben Dir liegen.

Haut an Haut.

Nur einmal noch lachen mit Dir.

Bis die Luft knapp wird und die Tränen fließen.

Nur einmal noch auf Dir liegen.

Explodieren mit Dir.

Dich beim Lesen beobachten.

Wie Du samt Brille im Text verschwindest.

Dich wild und zärtlich küssen.

Dir nach dem Bad das Handtuch reichen.

 

Alles in mir brennt nach Dir.

Tag um Tag will ich bei Dir sein.

Will hören, wie es Dir erging.

Will sagen, wie es mir erging.

Nacht um Nacht will ich bei Dir sein.

Will Deine Leidenschaft.

Will Dich altern sehen.

Und doch gehe ich weg von Dir.

Denn niemand ist bereit für unsere Liebe.

 

Meine Eltern?

Wollen jemand Nettes aus der Werkstatt.

 

Deine Kollegen aus der Uni?

Finden, das geht zu weit.

 

Die Leute aus der Wohngruppe?

Wissen, ich bin zu blöd das einschätzen.

 

Deine Studenten?

Lachen uns aus.

 

Auch Dich, meine Liebste, auch Dich!

 

Du hast sie doch gesehen.

Sie sind bewaffnet bis an die Zähne.

Bewaffnet mit Sorge und mit Fürsorge und mit Besserwissen.

Jetzt nach dieser wunderbaren Nacht,

werden sie erst recht loslegen.

Also gehe ich weg von Dir. Bitte verzeih.

 

Da liegst Du nun endlich vor mir.

Nackt und warm und weich.

Hast Dich getraut, mich zu lieben.

Dich mir hinzugeben.

Freigestrampelt hast Du Dich.

Du lächelst im Schlaf.

 

Offen bist Du und verletzlich und schutzlos.

Offen bin ich und verletzlich und schutzlos.

 

Irgendwann müssen wir wieder raus.

Raus aus dieser Wohnung.

Raus aus diesem warmen Zimmer.

Wir müssen uns anziehen.

Wir müssen raus in die Welt.

In die Welt, die alles besser weiß.

In eine Welt, die weiß, was sich gehört.

 

Wie sollen wir uns warm genug anziehen,

um dem gewachsen zu sein?

 

Und nun?

 

Danke ich Dir, dass Du mich in Dein Leben gelassen hast.

Danke, dass Du Dich getraut hast.

Danke, für die Liebe und den Schmerz und das Glück.

 

Und ich sehe Dich an.

Ich sehe Dein Lächeln aus unserer ersten Nacht.

Ich sehe Deine Rundungen und Deine Liebe.

Ich sehe Deinen Mut und Deinen Stolz.

Ich sehe Dich.

 

Und ich fülle mein Herz mit Glück.

Und ich tauche ein in Dich.

Und ich liebe Dich.

 

Morgen werde ich weg sein.

Morgen holen sie mich ab.

Ich ziehe in eine neue Wohngruppe.

Weit weg von Dir.

An einen unbekannten Ort.


Und ich kann es nur erdulden.

Und du kannst es nur hinnehmen.

Denn die Welt ist bis an die Zähne bewaffnet.

Bewaffnet mit Sorge und mit Fürsorge.

Und mit Besserwissen.

 

Leb wohl, mein Herz.
Leb wohl.